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Warum ich Floskeln aller Art abschaffen würde

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Es ist Donnerstag Abend, ich sitze mit einer lieben Freundin gemütlich beim Griechen,

bei einem Gläschen Wein, und sie erzählt mir etwas, was ihr passierte und sie sehr traurig machte. Ehe ich mich versehen kann, lege ich die Hand auf Ihre Schulter und höre mich sagen: „Du schaffst das“. Im gleichen Moment beisse ich mir auf die Zunge. Natürlich schafft sie das, das ist hier doch gar nicht die Frage! Die Frage ist vielmehr – bin ich überhaupt in der Lage, ihr zu helfen? Was kann ich sagen, um sie zu unterstützen?

„Weisst du was“,- setze ich an, „eigentlich hasse ich es, wenn ich gerade genervt oder traurig bin oder etwas Schlimmes erlebe und dann zu hören bekomme „Du bist so stark, du schaffst das“ oder „Das wird schon“. Das ist mir gerade aber trotzdem irgendwie rausgerutscht…“.

„Ich weiss, was du meinst“, sagt sie und nimmt einen Schluck aus ihrem Glas.  „Du hast es ja gut gemeint, aber natürlich hast du recht, der Spruch hilft mir nicht wirklich. Noch unnötiger sind Vergleiche mit etwas, was angeblich noch negativer ist, so à la „Sei froh, dass du nicht {hier etwas vermeintlich Schlimmeres einsetzten} „.

„Oh ja! Nur, weil dir nicht etwas noch Schlimmeres passiert ist, heisst das nicht, dass deine Situation nicht schwer für dich ist. Aber warum verwendet man überhaupt solche Floskeln? Und vor allem – warum stoßen sie uns so auf?“.

Sie überlegt kurz. „Naja, die Menschen sagen sowas, um Anteilnahme zu bekunden, und meinen das meist als Aufmunterung. Manche tun es auch aus der Überforderung heraus, weil sie nicht wissen, was für eine Reaktion sonst angebracht wäre. Und warum es uns meist nervt? Naja, weil das eben pauschal-Sprüche sind, sie gehen nicht wirklich auf deine konkrete Situation ein und vermitteln so den Eindruck, dich mit möglichst wenig Aufwand abfertigen zu wollen“.

Ich stimme sofort zu. „Genau! Man kommt sich einfach nicht ernstgenommen vor, obwohl das Gegenüber einem ja wohlgesonnen ist! Ich denke, dass einige Menschen es als eine richtige Stresssituation empfinden, wenn du ihnen zum Beispiel von einem Schicksalsschlag erzählst. Es ist ja auch Stress, über Themen wie Tod, Krankheit oder insgesamt Probleme nachzudenken, aber das gehört nunmal zum Leben leider dazu… Trotzdem wollen viele Menschen nicht zu tief in diese Materie einsteigen, und suchen daher einen möglichst netten und unkomplizierten Weg da raus.“

„Und wenn das mitschwingt, kommt man sich als Betroffener natürlich alleingelassen vor, also erreichen die Floskeln oft genau das Gegenteil von dem, was ihre Verwender eigentlich beabsichtigen wollen, nämlich: Anteilnahme.“, fügt sie hinzu.

Floskeln

erreichen oft

genau das Gegenteil von dem,

was ihre Verwender

eigentlich beabsichtigen,

nämlich:

Anteilnahme.

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Wie soll man sich denn verhalten, wenn jemand leidet oder Probleme hat? Was soll man zu ihm sagen?

Ich bin nicht so bibelfest, aber ein Bibelspruch ist mir in Erinnerung geblieben, weil er mich mal so zum Nachdenken angeregt hat:

„Freuet euch mit den Fröhlichen und weinet mit den Weinenden!“ (Römer 12, 14–15)

In unserer heutigen Welt, wo „Think positiv“ das höchste Gut bedeutet, und depressive Menschen immer noch zu oft am Rand der Gesellschaft stehen, hat insbesondere der Teil „weinet mit den Weinenden“ nicht so viel Popularität erlangt. Ist ja auch klar – alles wird wieder gut, Zeit heilt alle Wunden, aufgeben ist keine Option, happy girls are the prettiest, keep smiling, und überhaupt, hinfallen, aufstehen, Krone richten. Diese Sprüche sind nicht per se falsch  – aber sie haben einen grossen Schwachpunkt: in einer Krisensituation helfen sie nicht. Oft setzen sie die Betroffenen sogar unter Druck, ihre Lage schnell meistern zu müssen, keine negativen Gefühle zeigen zu dürfen, nicht zuuuu lange zu trauern – und wenn doch, dann als schwach zu erscheinen.

Die Lösung: Mitfühlen. Nachfragen. Zuhören. Da sein.

Das bedeutet: es ist ein Trugschluss, zu meinen, dass durchweg positive Floskeln aus einer schlimmen Situation heraushelfen. Viel effektiver, menschlicher – und zugegebenermassen auch anstrengender –  ist es, mitzufühlen. Vor allem, wenn man selbst glücklicherweise noch keine Schicksalsschläge erfahren hat, fällt mitfühlen oft schwer. Emphathie kann man aber üben! Wenn du mitfühlst – dann versetzt du dich kurz hinein in die Person und stellst dir sozusagen kurz vor, dass du selber genau das gleiche Problem hast. Was wäre deine eigene Reaktion darauf, wenn du selbst betroffen wärst? Vielleicht „Ach du Sch…“ oder „Das ist ja echt schlimm“? Was würde man sich in so einer Situation wünschen? Vielleicht, dass jemand für einen da ist? Dass man nicht allein ist? Dass jemand Hilfe anbietet oder auch einfach nur zuhört? Ohne weise Ratschläge (vor allem, wenn man nach keinen gefragt hat), ohne Vergleiche mit noch schlimmeren Situationen, ohne pseudo-optimistisches ewigwährendes Lächeln auf den Lippen…


Die verbreitetsten Floskeln:

„Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert“

Das soll mich jetzt trösten? In meinem Schmerz/meiner Wut wird mir Dankbarkeit aufgezwungen, dafür, dass nicht etwas NOCH Schlimmeres passiert ist? Ernst nehmen geht anders! Diese Aussage bagatellisiert meine Situation, stellt sie als gar nicht so schlimm dar. Richtig wäre: den Betroffenen dort abzuholen, wo er ist und sein Empfinden ernstzunehmen.

„Die Zeit heilt alle Wunden“

Da fällt mir eine tolle Erweiterung zu diesem Spruch ein, sie stammt vom amerikanischen Schriftsteller Mark Twain:

„Die Zeit heilt alle Wunden, aber sie ist eine miserable Kosmetikerin“. Die Zeit hilft natürlich bei der Verarbeitung von schlimmen Ereignissen. Aber die Narben bleiben, und sie gehören zu uns. Außerdem: was hilft es mir jetzt zu wissen, dass es mir irgendwann besser gehen wird? Bei der Bewältigung schwieriger Ereignisse geht es um das Hier und Jetzt!

„Das wird schon“

Das klingt, als würde man die Situation runterspielen wollen. Manchmal wird eben nichts wie früher, da wirkt so ein Spruch sehr unbedacht dahingesagt (was er meistens auch ist). Lieber konkret auf die Situation eingehen, vielleicht ein paar Fragen stellen, die wirkliches Interesse bekunden. Oder einfach da sein. Oder Hilfe anbieten.

„Sei nicht traurig“

Mehr kann man die Realität wohl nicht ignorieren. Man IST gerade traurig, und das wird sich auch nach so einem schlauen Spruch bestimmt nicht schlagartig ändern! Viel wichtiger ist es, auch mal traurig sein zu dürfen, sich fallen lassen zu können und dass jemand da ist, der einen auffängt.

Hier ist mehr zum Thema!

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