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thoughts: meine Hassliebe zur Mode

Mitten in der gerade vergangenen Fashion Week erlebte ich eine Art von Rausch, die mich wirklich erschrocken hat. Ironischerweise hatte dieser Rausch mit den Modeschauen (auf den ersten Blick) nichts zu tun. Es war so:

Mitten in der Modewoche hatten Diana und ich etwas Zeit zwischen zwei Shows und gingen nichtsahnend die Strasse lang, als wir ein Store mit der Aufschrift "Sale" erspähten. "Lass kurz reingehen", meinte sie. Schon waren wir drin. Innerhalb von wenigen Sekunden haben wir beide unsere Objekte der Begierde gefunden - oder, wie die Modeverrückten in einer Art Selbstlegitimierung zu sagen pflegen, SIE haben uns gefunden: die 2 kleine süße Box-Clutches. Eine für Diana, eine für mich. Der Rausch setzte ein. Während wir lachten, gestikulierten, und mit der Verkäuferin laut in einem Mix aus Englisch und Deutsch über den Designer der Taschen, das Shoppen und die Mode diskutierten, hingen wir uns die Taschen um. Uns im großen, glänzenden Spiegel betrachtend, sahen wir uns schon damit gutgelaunt die Straßen flanieren und von den Streetstyle-Photographen umringt werden. Als ich mich nach dem Preis der Tasche erkundigte, war der Rausch nicht etwa zu Ende, im Gegenteil - er verstärkte sich. Der Preis war zwar human genug, um den Spontankauf zu verkraften, aber gleichzeitig unvernünftig genug, um einen kleinen, hübschen Adrenalin-Stoß auszulösen. Die Gruppendynamik tat ihr Übriges: zwischen überdrehten Snapchat-Videos von uns, dem Charme des Filial-Chefs und vergnügtem Lachen gingen die Clutches über den Kassentisch.

Wie sagte die weise Modejournalistin Clairette

Mode ist wie Feierngehen: im Rausch der Nacht, des Alkohols, der Musik und der flirtiven Atmosphäre empfindet man ein Gefühl elektrisierender Lebendigkeit. Nichts kann einen aufhalten, man ist stark, cool und unglaublich sexy.

Und dann wacht man am nächsten Tag mit hämmernden Kopf auf und fragt sich: Wozu das alles?

 

Ich habe mir zwar am nächsten Tag nicht die Frage gestellt, wozu das alles war - denn die Tasche gefiel mir auch noch am nächsten Morgen und tut es immer noch - aber dennoch erschrak ich, als ich mich an das Gefühl im Store erinnerte - denn es war wie ein Kontrollverlust, wie etwas, was einen überkommt. 

Mode ist meine große Hass-Liebe.

Warum Hass?

Unsere Liebe zur Mode ist nicht selbstlos. Wir lieben nicht nur schöne Kleidung, tolle Stoffe, innovative Schnitte und Einfälle der Designer, sondern lassen uns leiten von dem Drang nach Selbstoptimierung, der Sehnsucht nach Anerkennung und auch nach eigener Selbstakzeptanz. Kaufen, um dazuzugehören - kaufen, um sich besser zu fühlen - kaufen, um sich zu belohnen... Aber außer der psychologischen Wirkung des Konsums und der Modetrends auf uns fällt auch die Modeindustrie selbst meist sehr negativ auf - und hier entsteht schon der "Hass"-Teil der Hassliebe. Denn wir alle wissen mittlerweile, was hinter den Kulissen alles schief läuft. Und diejenigen von uns, die in der Mode arbeiten, wissen noch viel mehr davon. Und damit meine ich nicht nur das grausame Modelbusiness, die Gier und den Druck in den großen Modehäusern und auch großen Modeketten, sondern auch die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Kleidung, die überzogenen Schönheitsideale, die willenlosen und von der Werbung und PR manipulierten Konsumenten, die fehlende Nachhaltigkeit.

Ich hasse die Tatsache, dass es so viele Modemenschen gibt, die sich völlig unbegründet für ach so exklusiv und für den Nabel der Welt halten.

Ich hasse die Tatsache, dass es so viele hohle Modeblogger gibt, die nichts hinterfragen und allein beim Namen [hier bitte den Namen irgendeines großen Modehauses einsetzen] sich schon willen- und kritiklos allem hingeben, nur weil es sie zum vermeintlichen Erfolg zu führen verspricht.

Ich hasse die Industrie dafür, dass sie ein in Stein gemeißeltes Schönheitsideal aufgebaut hat. Das hat so unendlich viel Leid verursacht und tut es auch weiterhin! Wegen diesem uns aufgezwungenen Konstrukt gilt jeder, der ihm nicht entspricht, als etwas weniger Wertvolles, und was fast noch schlimmer ist: empfindet sich auch selbst oft als "nicht ausreichend".

Wie kann man eigentlich diese Welt trotzdem lieben?

Ich muss manchmal an diese herzzerreißende Szene aus "Der Himmel kennt keine Günstlinge" von Erich Maria Remarque denken. Die Tuberkulose-Kranke Lilian, die aus ihrem Krankenhaus ausbricht und die letzten Monate ihres Lebens in der Freiheit verbringt. Sie nimmt ein sündhaft teures, wunderschönes Kleid mit, sie hängt es vors Fenster, so dass das Licht durchscheinen kann und betrachtet es vom Bett aus. Das Kleid ist ihre Freundin, ihre Begleitung, ihr flüchtiger Trost, ihre letzte Lebensfreude.

Auch wenn es sehr schwer ist, die Grenze zwischen echtem Gefühl und künstlichen Begehrlichkeiten, zwischen Kunst und Fake oder zwischen echter Provokation und bloßer PR zu ziehen (siehe Vetements) - mit der Liebe zur Mode verhält es sich so, wie mit jeder Liebesbeziehung. Man liebt nicht nur "wegen", sondern auch "trotz". Ich hoffe auf Kunst. Ich hoffe auf echte Provokation. Ich liebe die Momente des Glücks, und die sind nicht immer gekauft. Hier auf der Fashion Week hatte ich bei einer Show Tränen in den Augen - von bloßem Zusehen, das nichts mit Konsum zu tun hatte. Ich bin Modebloggerin - und auch ich trage zum europäischen Konsumuniversum bei. Ich versuche, mich bewusst mit dem Thema auseinanderzusetzen, aber bei aller Kritik - ich werde der Mode treu bleiben. 

Denn ich weiß: in dieser Welt des Scheins gibt es auch echte Momente. Und um die geht es mir.

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Esra liest: noch ein Sex-Ratgeber??

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Heute geht es um Sex!

Kaum zu glauben, aber auch mein Leben besteht nicht ausschliesslich aus Shootings, Shopping und Essen. Es gibt auch einige andere Themen, die hier auf dem Blog normalerweise ausgeklammert werden.
Der Auslöser dafür, dass ich die „schönste Nebensache der Welt“ heute doch mal thematisiere, war eine Anfrage einer Buchrezension. Niemand geringerer, als die Nina Wagner von „Im Gegenteil“, versuchte sich als Autorin.
Das erste, was mir dabei durch den Kopf ging, war das Wort „oje“. Gleich im Anschluss folgte „Ach ja, schlimmer als `How to be Parisienne` wird es schon nicht sein!“ War es dann auch nicht :D

Hand aufs Herz – wer ist unzufrieden mit seinem Sexleben?

Warum gibt es so viele Tabus, wo wir uns doch für so aufgeschlossen halten? Wieso kann man gerade mit dem Menschen, der einem am nächsten steht, so oft nicht direkt über seine Bedürfnisse und Wünsche reden?
Gewiss hat es noch immer mit den festgefahrenen Geschlechterrollen zu tun, aber auch mit der eigenen Unsicherheit. Die wiederum resultiert oft aus dem fehlenden Selbstbewusstsein, der echten, wahren Selbstliebe. Wieso kasteien wir uns selbst so oft und halten uns für nicht ausreichend?

Die wichtigste Message des Buches:

Wir müssen dringend lernen, uns so zu mögen, wie wir sind! Das ist der Schlüssel zum erfüllten Sexualleben! (Ich ergänze: aber auch der Schlüssel zum erfüllten Leben überhaupt). Weniger denken, was andere von uns halten – mehr unsere Wünsche und Gefühle kommunizieren – und im gleichen Atemzug aushören, über Andere zu urteilen! Toleranz  anderen und sich selbst gegenüber sollten die Grundpfeiler unseres Lebens sein.

 

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Aber von vorne.

AUFBAU

Das Buch wechselt zwischen theoterischen Abschnitten und Erfahrungsberichten.

Die theoretischen Teile sind eine Art Zusammenfassung von dem jeweiligen Thema, z. B. gesellschaftliche Normen / Verhältniss zum eigenen Körper / Sex Toys / Dates (in real life und auch online) / Verhütung / Sex Talk / Periode / Stellungen / Tabus und Grenzen.

Die Stories dazwischen sind wie Erfahrungsberichte einer (ehrlichen und aufgeschlossenen) Freundin, die endlich mal alles ausspricht, was man selber schon oft gedacht hatte, aber meinte, dass es nur einem selber so geht. Zum Beispiel, so eine banale Sache, wie dass beim Küssen manchmal die Köpfe aneinanderschlagen bzw die Nasen im Weg sind :D Das sind ja so kleine Verlegenheitsmomente, die wohl jeder von uns in irgendeiner Form schon mal hatte. Allerdings gibt es ganz verschiedene Berichte, sowohl von der ersten richtig langen Beziehung als auch von einer misslungenen BDSM-Erfahrung.

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Lieblings-Zitate:
  • „Ich bin Single und suche nach keiner festen Beziehung. Nein, ich verdränge keine Sehnsucht, die mich insgeheim auffrisst und ja, genau diese Unterstellung nervt gewaltig“ (S. 69)
  • „Alle sind auf der Suche. Nach Selbstverwirklichung, nach Großstadtluft und Anonymität, nach Jobs, nach Liebe, nach Grenzerfahrungen. Deswegen zieht man aus seiner miefigen Kleinstadt oder Dorf nach Berlin. Weil man hier das Gefühl hat, machen zu können, was man will. Kann man auch. Und die meisten sind dabei einsam. Weil man die Lücken zwischen dem schlecht bezahlten Studentenjob, der Uni und den Partys nicht füllen kann. Weil sich die meisten Menschen selbst nicht ertragen. Und deswegen eben auch versuchen, ihr Leben durch Lifestyle zu definieren“ (S. 102)
  • „Es gibt so viele Männer, die bei Tinder angemeldet sind und rumvögeln wollen, aber trotzdem mit der Vorstellung nicht klarkommen, dass die Frauen, die bei Tinder sind, haargenau das Gleiche wollen. … Jedenfalls gibt es immer noch genug Typen, die trotz Fick-App lieber die unerfahrene Lolita kennenlernen wollen statt der erfahrenen Frau, die viel Sex hat“  (S. 112)   (- krass! Diese Doppelmoral könnte mich so aufregen!)
  • „… meine männlichen Mitschüler sorgten damals mit ihren endlos dummen Kommentaren dafür, dass jede von uns ihre  Periode als etwas Negatives wahrnehmen musste. Man hat echt keinen Bock, dem Sportlehrer zu sagen, dass man Unterleibsschmerzen hat, (…) wenn man sich dann Sprüche anhören muss wie „Die ist zickig, hat wohl ihre Tage“ oder „Warum bluten Frauen einmal im Monat? Weil sie es nicht anders verdient haben!“ (…) Wie soll man denn als heranwachsende Frau lernen, mit seinem sich verändernden Körper umzugehen, wenn das schon von vornherein so erschwert wird, weil Männer anscheinend erst recht nicht damit umgehen können und dann auf sexistische Abwertungen zurückgreifen müssen?“ (S. 130)
  • „Ich frage mich ja oft, in welchem Jahrhundert wir eigentlich leben, dass es immer noch so wichtig ist, wen wir wie vögeln. Ob ich mit Männern oder Frauen oder mit lila Monstern schlafe, wenn sie sich als diese definieren, ist doch allein mir überlassen und hat allen anderen egal zu sein“ (S. 176)

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FAZIT:

Keine literarische Meisterleistung – aber ein guter, sehr ehrlicher Ratgeber, weil es eben keiner ist. Ich finde dieses Buch feministisch im guten Sinne. Denn es regt uns, Frauen des 21. Jahrhunderts, an, endlich die Selbstzweifel und das begrenzte Denken sein zu lassen und anzufangen, zu uns zu stehen. Genau so, wie wir sind. Wir sollen uns von der Gesellschaft nicht mehr vorschreiben lassen, wie genau wir zu funktionieren haben (auch im Bett!) und wie wir auszusehen und uns zu verhalten haben.

Wir sollen das machen, was wir gerne machen würden. Wir sollen den Mund aufmachen und nicht nur immer von Männern erwarten, dass sie unsere Gedanken lesen. Wie sollen sie uns ernst nehmen und als Gleichberechtigte behandeln, wenn wir es nicht mal SELBST schaffen?

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Das Buch ist  HIER erhältlich!

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